Sensibler Folk-Pop und melancholischer Singer/Songwriter-Soul: Anna Hauss’
zweites Album dreht sich um das Ungewisse und um Beziehungen aller Art.
Eine grandiose Stimme und ein feines Gitarrenalbum.
„It’s okay to swim a little before getting to new ground“ – Anna Hauss hat ein
Konzeptalbum über das Ungewisse geschaffen. „Unknown Waters“ steht für den
Mut, ins kalte Wasser zu springen. Loslassen, was nicht zu kontrollieren ist.
Akzeptieren, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist.
Nicht zufällig ist „Unknown Waters“ auch ein tolles Gitarrenalbum, ohne dass sich
Gitarren jemals in den Vordergrund drängen würden – das verhindert schon Annas
einzigartige Stimme. Dazu kommt das sensible Songwriting einer deutsch-finnischen
Singer/Songwriterin, deren schimmernder Folk-Pop es locker mit Größen wie Martha
Wainwright oder Alice Phoebe Lou aufnehmen kann.
Anna Hauss, 1993 in Berlin geboren, veröffentlichte bereits mit 20 Jahren ihr erstes,
selbst produziertes Album. 2014 zog sie nach Leipzig, um Jazzgesang zu studieren
und eine Band zu gründen. Still In The Woods tourten in ganz Europa und wurden
für ihren anspruchsvollen Indie-Neo-Soul gelobt. Zurück in Berlin startete Anna 2019
eine Solokarriere, ihr Song „I Can't Remember Love“, komponiert für die Netflix-Serie
Queen's Gambit, erhielt 2021 eine Emmy-Nominierung. „Ihre Songs atmen den Geist
von verrauchten Jazzbars und federleichten Sommertagen im Park zugleich“,
schrieb TIP Berlin über das erste Album „How long is Now“. Anna wurde mit Feist
und Joan As Police Woman verglichen.
Nun hat Anna Hauss’ Singer/Songwriter-Soul noch mehr Tiefgang bekommen. Die
Gitarren sind dominanter, das Träumerische, Melancholische prominent wie eh und
je. Ihr Debüt schloss mit dem Titelsong „How long is Now“; Anna sang: „I am
completely free/but i feel like hiding now“. Eine bedächtige Stimmung, die sich nun
im Opener von „Unknown Waters“ fortsetzt. Anna singt aus einem komfortablen
„Safe Space“ heraus, den Beginn des Frühlings erwartend: eine pluckernde drum
machine, dunkle Synthesizer, einzelne Töne auf der Gitarre.
KünstlerInnen reagieren empfindsam auf politisch wie gesellschaftlich unruhige
Zeiten. Anna thematisiert den Rückzug ins Private, aber auch die Neugier auf
Neues. Ein Album voller reizvoller Widersprüche, wie alle große Kunst. 15 Songs,
die davon profitieren, ganz old school in der vorgegebenen Reihenfolge gehört zu
werden.
Der Zweifel, die Ungewissheit, das Abwarten steckt hier schon in den Songtiteln
„Just don’t know“, „Patience“ und „Cautious“. In „Timing“ tastet sich Anna langsam
vorwärts, „I think I still have to figure out/What it’s all about“, doch dann öffnet sich
die Welt: die E-Gitarren drängen, das Schlagzeug treibt nach vorne. Ein ähnlicher
Power-Pop-Ansatz prägt „Short Spell“; den Gegenpol bilden Songs mit Solo-Gitarre
(„Care“) oder allein am Klavier („Obvious“).
„When we get to know each other“ ist der Ohrwurm der Platte, „Unfound“ eine Late-Night-Ballade mit Akustikgitarre, ehe Bass, Drums und E-Gitarre in einem glorreich melancholischen Finale für Gänsehaut sorgen. Musik, die auch kurz vor dem Abspann eines Coming-of-Age-Films laufen könnte.
Tatsächlich hat Anna zum Album einen Film in 15 Teilen produziert, einer für jeden
Song. Die Videos wurden in den Wäldern und Feldern Brandenburgs aufgenommen,
wehmütige Spätsommerstimmung inklusive.
„Unknown Waters“ wurde mit der bewährten Band um Bassist Johannes Schauer
und Drummer Philip Schilz aufgenommen, dazu als Produzent Alex Binder (Gitarre,
Bass und Synths). Die Arrangements entstanden erst während der Studioarbeit,
behutsam bauten die vier die Songs um Annas Soloaufnahmen herum auf.
Alle Songs stammen von Anna, die auch Gitarre spielt. Dazu kommt ihre wundersam
facettenreiche Stimme: sanft croonend, manchmal fast flüsternd, dann kraftvoll und
tief in den rockigen Songs.
Am Ende des Albums ist die Vorsicht geblieben, genau wie die Neugier. In
„Cautious“ heißt es: „I’m opening up a little more/And it feels new“. Anna Hauss
bleibt offen für neue Erfahrungen; 2025 will sie wieder mehr Zeit in New York City
verbringen. Auf den Bühnen dieser Stadt wird sie mit den dynamischen Songs von
„Unknown Waters“ problemlos bestehen.
Text: Jan Paersch
Zu 'how long is now': "Es ist eine nachdenkliche Trennungs-Platte geworden, mit der Hauss sich ein wenig von ihren Jazz-Einflüssen entfernt und sich ein wenig mehr in die Indie-Pop-Richtung wagt, sodass sie die verträumte Ruhe auch mal gegen fast wütende Gitarren und schnelles Schlagzeug eintauscht." (Naomi Webster-Grundl)
"Das zweite Album der Berliner Singer-Songwriterin beginnt ruhig und bedächtig und entfaltet sich in seiner Dynamik und Tiefe immer weiter - es sollte deshalb unbedingt in der richtigen Reihenfolge gehört werden. Weicher Folk-Pop mit melancholischem Soul: der ideale Soundtrack, um an langsamen Rest-Winternachmittagen vom Frühling zu träumen." (MB, 03/25)
"Ihre Erfahrung mit dem sehr subjektiven Zeitempfinden verarbeitet Anna Hauss auf ihrem Debütalbum „how long is now“ in sehr offenherzigen und direkten Texten, ohne große Metaphern. Die verpackt die 30-Jährige in sparsam instrumentierte, soulig-jazzige Indiepopsongs. Die sind ein gutes Mittel, falls man selbst mal wieder ungeduldig wird und sich fragt, wie lange eine Lebensphase wohl noch andauert."
(Popfilter - Der Song des Tages / Anna Hauss - Jump)
"The topics on how long is now are deeply emotional – with an emphasis on the “motion” part of the word. This is music that moves. Anna Hauss lays bare and taps into her feelings and by making herself vulnerable." (Liv Toerkell)
"Channelling the sweet vibes of Feist, Joan As Police Woman, and Lianne La Havas, “jump” is a fantastic modern addition to the singer-songwriter genre." (Blog Post Anna Hauss - Jump)
"Trennung, Umzug, Neuanfang – Lebensphasen, in denen alles Kopf steht und unklar ist, wann und vor allem wie es weiter geht. Klingt anstrengend, hat aber ordentlich Potential für künstlerische Verarbeitung. Und genau das hat die Berliner Musikerin Anna Hauss auf ihrem ersten Soloalbum getan – unser Album der Woche."